Mehr Probleme mit Cannabis in einem regulierten Markt: stimmt das?

Gestern und heute berichten verschiedene Medien, dass sicher immer mehr Menschen in eine Cannabistherapie begeben. Der Grund dafür sei die Regulierung des Cannabismarktes. Die Replik des Fachverbands Sucht.

Die NZZ am Sonntag berichtet in ihrer Ausgabe vom 28. Mai 2017 von einer neuen Studie der Columbia University of New York Folgendes: Der Freizeitkonsum von Cannabis habe in den Staaten der USA zugenommen, in denen die Substanz medizinisch freigegeben sei. Das führe erstens zu einer überdurchschnittlichen Zunahme der Cannabis-Konsumstörungen und zweitens dazu, dass immer mehr Menschen eine Cannabistherapie aufsuchen würden. Verschiedene weitere Medien haben die Meldung übernommen.

Der Fachverband Sucht hält diese Argumentation für verkürzt und nimmt im Folgenden Stellung dazu.

Vor und nach der Marktregulierung: Der Vergleich der Konsumzahlen hinkt
Kein Staat besitzt verlässliche Zahlen, was die Anzahl Cannabiskonsumierender betrifft, solange er den Erwerb und den Konsum von Cannabis verbietet. Die Zahlen, die er in diesem Fall dazu hat, sind bestenfalls Schätzungen, die auf zwei Prinzipien beruhen: auf Beschlagnahmungen von Cannabis oder auf Bevölkerungsbefragungen. Beide Prinzipien sind ungenau:

  • Beschlagnahmungen sind meistens Zufallstreffer. Von der Anzahl Beschlagnahmungen resp. vom Umfang des beschlagnahmten Materials auf das Ausmass des Cannabiskonsums in der Bevölkerung zu schliessen, ist nicht glaubwürdig.
  • Wenn es in Befragungen um Illegales geht, antworten die Befragten oft nicht wahrheitsgetreu. Sie fürchten Sanktionen. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass die Konsumzahlen in Staaten, in denen Cannabis illegal ist, höher sind als angenommen.

Die Konsumzahlen vor und nach der Regulierung des Cannabismarktes zu vergleichen, ist deshalb fragwürdig. Die Aussage, dass heute wegen der hohen gesellschaftlichen Akzeptanz mehr Menschen als früher Cannabis konsumieren, ist aus Sicht des Fachverbands Sucht deshalb wenig reflektiert. Ein grosser Teil jener, die heute angeben, dass sie Cannabis konsumieren, hat vermutlich schon vorher konsumiert, aber nicht darüber gesprochen.

Mehr Menschen in Cannabisbehandlung: Über die Gründe kann nur spekuliert werden
Der Artikel suggeriert, dass ein regulierter Markt zu einer Zunahme von Cannabiskonsum und damit – gleichsam zwangsläufig – auch zu mehr Cannabiskonsum-Störungen führt. Das ist aus Sicht des Fachverbands Sucht fragwürdig. Mindestens ebenso naheliegend ist folgende Annahme: Menschen, die bereits im illegalen Markt Probleme hatten mit dem Cannabiskonsum, finden erst im regulierten Markt den Weg in die Behandlung. Zum einen ist der Konsum von Cannabis im regulierten Markt weniger tabuisiert und die KonsumentInnen sind weniger stigmatisiert. Und zum anderen fällt die Furcht Betroffener von Sanktionen weg.

Auch in der Schweiz nimmt – ebenso wie in anderen Europäischen Ländern – die Anzahl Behandlungen aufgrund des Cannabiskonsums zu. In den meisten dieser Länder ist der Markt aber nicht reguliert, der Erwerb und der Konsum von Cannabis sind nicht legal. Den Grund für die Zunahme cannabisbezogener Behandlungen in der Regulierung des Cannabismarktes zu suchen, wirkt deshalb wenig glaubhaft.

Hohe TCH-Konzentration in Cannabis: ein Problem
Die THC-Konzentration in Cannabis nimmt seit einigen Jahren stark zu. Das ist tatsächlich ein Problem. Allerdings ein Problem, dass nur durch einen regulierten Markt gelöst wird. Nur in einem regulierten Markt sind Qualitätskontrollen und die Festlegung eines max. THC-Gehalts möglich. Der Schwarzmarkt schert sich keinen Deut darum.