Cannabispolitik: Mediales Interesse, mediale Aufregung
23.05.2019 / Derzeit erscheinen wieder viele Artikel und TV-Beiträge rund um das Thema Cannabis. Nicht immer ist es einfach, diese einzuordnen: Ist das wirklich etwas Neues? Stimmt das so absolut? Was heisst das für die Suchthilfe und -prävention? Die Geschäftsstelle des Fachverbands Sucht ist bei der fachlichen Einordnung gerne behilflich.
Die Berichterstattung zu einer neuen Studie suggerierte, dass Cannabis in jedem Fall das Psychoserisiko steigert und verbreiteterer Cannabiskonsum so zu mehr psychisch kranken Menschen führt. Gesichert ist dieser kausale Zusammenhang aber derzeit nicht. Andere Studien zeigen, dass Menschen mit psychischen Problemen zwecks Selbstmedikation zu Cannabis greifen. Fest steht lediglich: Für Personen, die eine Vorbelastung für Psychosen mitbringen, birgt Cannabiskonsum Risiken, insbesondere von hochpotentem Cannabis (hoher THC-Gehalt) und bei häufigem Konsum.
Aus suchtpolitischer Sicht ist dies ein Argument für eine gesetzliche Neu-Regulierung, nicht dagegen. Denn nur in einem streng regulierten Markt kann der THC-Gehalt transparent gemacht oder sogar beschränkt werden. Geschultes Verkaufspersonal kann Aufklärung und Früherkennung leisten.
Ein weiterer Artikel berichtete, dass es nach der Legalisierung und anschliessenden Neu-Regulierung von Cannabis in Kanada zu einer starken Zunahme an Konsumierenden gekommen ist. Aus suchtpolitischer Perspektive sind zwei Aspekte zu beachten: Solange eine Substanz illegal ist, sind weniger Menschen bereit, die Frage nach ihrem Konsum ehrlich zu beantworten. Die Zahlen vor und nach der Legalisierung sind also nur schwer zu vergleichen. Ein(temporärer) Anstieg der Konsumzahlen aus Neugier kann durchaus stattfinden, auch für die Schweiz ist dieses Szenario denkbar. Dass die Niederlande eine geringere Anzahl von Kiffern beheimaten als die Schweiz, spricht allerdings gegen einen langfristigen Anstieg. Wichtig ist aber: Auf die Sucht-Fachstellen in der Schweiz käme mit einer Legalisierung und anschliessenden Neu-Regulierung von Cannabis potentiell mehr Arbeit zu: Prävention kann flächendeckend stattfinden, mehr Menschen suchen Beratung ohne Angst vor Kriminalisierung, mehr Menschen wollen wissen, was sie beim (Erst-)Konsum beachten müssen oder welche schadenmindernden Massnahmen sie treffen können, Testkäufe werden durchgeführt. Soll eine Neu-Regulierung gelingen, müssen die Sucht-Fachstellen dafür zusätzliche Ressourcen erhalten.