Ein erster Schritt zum Schutz von Jugendlichen in den Bereichen Film und Videospiele
30.09.2022 / Heute Morgen hat die Bundesversammlung ein Gesetz zum Jugendmedienschutz in den Bereichen Film und Videospiele verabschiedet. Die Fachorganisationen begrüssen zwar die Verankerung der Medienkompetenzen, bedauern aber sehr die fehlenden Regulierungen zu Mikrotransaktionen und das Fehlen des ständigen Expert:innen-Einbezugs in der Erarbeitung von Regulierungen.
Das Gesetz – Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele
Mit dem Gesetz «Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele (JSFVG)» wollte der Bundesrat bestehende Lücken in diesem Gebiet angehen. Der Nationalrat hatte den Entwurf des Bundesrats ursprünglich um verschiedene Bestimmungen für einen umfassenderen Jugendschutz ergänzt - und zwar durch die Förderung der Medienkompetenzen, den Einbezug von Expert:innen und die Regulierung von Mikrotransaktionen. Aus unserer Sicht – also aus Sicht der verschiedenen unten genannten Fachorganisationen, die die Interessen der Kinder und Jugendlichen in der Schweiz vertreten – wären diese Bestimmungen unabdingbar gewesen, um den Jugendschutz in diesem Bereich nachhaltig zu verbessern. In den Beratungen zwischen den Räten fanden jedoch viele dieser Bestimmungen keine Mehrheiten. Ein Kompromiss wurde einzig bei der wichtigen Förderung der Medienkompetenz gefunden.
Jugendmedienschutz durch Stärkung der Medienkompetenzen und eigenverantwortliches Handeln von Jugendlichen
Die Fachorganisationen sind erleichtert, dass die Förderung der Medienkompetenz im Gesetz verankert ist. Kinder und Jugendliche zu verantwortungsvollen Entscheidungen zu befähigen, ist die nachhaltigste Investition in den Jugendmedienschutz. Kinder und Jugendliche brauchen solide Kompetenzen im Umgang mit den grenzenlosen Angeboten und Möglichkeiten im Netz, bei Filmen und Videospielen. Gerade auch deshalb, weil diese von den Kindern und Jugendlichen oft alleine oder gemeinsam mit Gleichaltrigen konsumiert werden. Je kompetenter und verantwortungsvoller die Jugendlichen handeln, desto weniger streng muss der Gesetzgeber künftig potenzielle Gefahren und Risiken in diesem Bereich regulieren. Diese explizite gesetzliche Grundlage ermöglicht es dem Bund, wichtige Aufgaben in der Medienkompetenzförderung zu übernehmen und zu stärken, wie beispielsweise mit der nationalen Plattform «Jugend und Medien».
Jugendmedienschutz ohne Regelungen zu Mikrotransaktionen
Zum grossen Bedauern aller Organisationen, die sich für einen effektiven Jugendmedienschutz einsetzen, sind die Mikrotransaktionen nicht Bestandteil des Gesetzes. Dies, obwohl die Zusammenhänge zwischen Mikrotransaktionen, Jugend, Glücksspiel und Sucht hinlänglich bekannt sind. Für die Fachorganisationen ist es unerlässlich, für Mikrotransaktionen in Videospielen gesetzliche Leitplanken zu setzen. Free-to-Play-Spiele (F2P), die zunächst kostenlos sind und dann über Mikrotransaktionen kostenpflichtige Inhalte anbieten, machen mit über 80 % des Umsatzes das vorherrschende Geschäftsmodell in der Videospielbranche aus. Free-to-Play-Spiele richten sich an ein sehr breites Publikum. Videospiele als solche erreichen jede:n, denn heutzutage spielt fast jede:r.
Bestimmte Formen von Mikrotransaktionen, wie z. B. Lootboxen, funktionieren wie Glücksspiele und normalisieren diese für Kinder und Jugendliche. Eine im Jahr 2021 durchgeführte Studie aus der Schweiz zeigt, dass es zwar keine signifikanten Unterschiede zwischen den Altersgruppen in Bezug auf das im Spiel ausgegebene Geld gibt, die 18- bis 29-Jährigen jedoch deutlich häufiger von finanziellen Schwierigkeiten aufgrund von Mikrotransaktionen betroffen sind (+20%). Die Grenzen zwischen Videospielen und Glücksspielen verschwimmen immer mehr. Belgien etwa hat beschlossen, Lootboxen als besonders perfide Art von Mikrotransaktionen als Glücksspiele zu betrachten, die auch jenen Regeln unterliegen. Ein begrüssenswerter Entscheid. Die Mikrotransaktionen waren auch Gegenstand eines Aufrufs von 20 Verbraucherschutzorganisationen aus 18 Ländern, für welche sie einen Rahmen für missbräuchliche Praktiken forderten.
Es ist nicht einfach, einen Bereich zu regulieren, der einem ständigen Wandel unterliegt, aber das Parlament hat sich bereit erklärt, dies in einer Kommissionsmotion in den nächsten Wochen anzugehen. Die Fachorganisationen nehmen das Parlament beim Wort und wollen diese Ausarbeitung von gesetzlichen Regeln zu den Mikrotransaktionen begleiten und unterstützen.
Beiziehung von Expert*innen bei der Erarbeitung von Jugendschutzregelungen
Um den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor ungeeigneten Medieninhalten zu erreichen, ist die regelmässige Einbindung von branchenunabhängigen Expert:innen in die Entwicklung von Jugendschutzregelungen unerlässlich. Nur so kann sichergestellt werden, dass die betroffenen Interessen - auch die von Kindern und Jugendlichen - gewahrt bleiben und nicht wirtschaftliche Erwägungen überwiegen. Diese Forderung ist durch die Beiziehung von Expert*innen für die Erarbeitung von Regulierungen nur teilweise befriedigend. In der Debatte hat die Verwaltung versichert, dass es der Absicht des Bundesrates entspricht, beim Vollzug dieses Gesetzes Expert:innen einzubeziehen, und nicht nur beizuziehen.
Eine grosse Koalition an Fachorganisationen hat sich im laufenden Gesetzgebungsprozess gemeinsam für einen wirksamen Jugendschutz in den Bereichen Filme und Videospiele eingesetzt:
die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (SAJV), der Fachverband Sucht, Groupement Romand d’Etudes des Addictions (GREA), Pro Juventute, Kinderschutz Schweiz, Fédération Romande des Consommateurs (FRC), die Stiftung für Konsumentenschutz und das Blaue Kreuz Schweiz.
Medienkontakt:
Nadine Aebischer, Bereichsleiterin Politik und Mitglied der kollektiven Geschäftsleitung der SAJV, 079 604 32 07 (DE/FR)
Cédric Stortz, Projektleiter Fachverband Sucht, 076 453 93 26 (DE)
Camille Robert, co-secrétaire générale du GREA, 078 891 39 41 (FR)