Vernehmlassung zur Revision der Betäubungsmittelsuchtverordnung

01.09.2022 / Die vorgeschlagenen Lockerungen der Diacetylmorphin-Behandlung sind ein Schritt in die richtige Richtung, bleiben aber ungenügend

Die Föderation der Suchtfachleute, die Schweizerische Gesellschaft für Suchtmedizin (SSAM), das Zentrum für Suchtmedizin Arud, Sucht Schweiz sowie das Collège Romand de Médecine de l’Addiction (CoRoMA) begrüssen die in der Vorlage vorgeschlagenen Erweiterungen der Betäubungsmittelsuchtverordnung betreffend die Diacetlymorphin-Behandlung. Für einen aus medizinischer Sicht notwendigen und überfälligen niederschwelligen Behandlungszugang sind aber noch weitere Schritte notwendig.

Die oben genannten Organisationen befürworten die in der Vorlage vorgeschlagene Delegation der Abgabe von Diacetylmorphin (pharmazeutisch hergestelltes Heroin) an geeignete Institutionen wie auch die Mitgabe von bis zu 7 Tagesdosen. Diese beiden Änderungen tragen dazu bei, dass Personen in Behandlung mit weniger Hürden konfrontiert sind. Die bei anderen chronischen Erkrankungen anerkannten Grundsätze der Förderung der Autonomie und der Lebensqualität von Personen in Behandlung werden somit konsequenterweise auch auf Menschen in einer Diacetylmorphin-Behandlung übertragen. Die positiven Erfahrungen während der Covid-19-Pandemie mit der Erweiterung der Mitgabe von Tagesdosen bestätigen dies.

Weniger gesetzliche Vorgaben und mehr Verantwortung für behandelnde Ärzt:innen

Die in der Vorlage vorgeschlagenen Änderungen gehen noch nicht weit genug. Diacetylmorphin ist für die Opioid-Agonisten-Therapie eine hochwirksame Alternative zu anderen verfügbaren Opioidagonisten. Die Diacetylmorphin-Behandlung sollte deshalb – wie alle anderen Opioidagonistentherapien auch – so wenig gesetzlichen Vorgaben wie möglich unterliegen und hauptsächlich unter der Verantwortung der behandelnden Ärtz:innen gemäss dem aktuellen State of the Art und geltenden medizinischen Richtlinien geführt werden. Dabei muss eine gleichzeitige umfassende und interdisziplinäre Behandlung der Betroffenen gewährleistet sein. Nur so, mit niederschwelligen Angeboten des gesamten Spektrums der verfügbaren Opioidagonisten können möglichst viele Betroffene mit der für sie optimalen Behandlung erreicht werden. Bei zu schwer zugänglichen Behandlungsangeboten mit Diacetylmorphin besteht die Gefahr, dass sich die Betroffenen weiterhin auf dem Schwarzmarkt versorgen, ohne Kontrolle über mögliche schädliche Beimengungen und die Reinheit bzw. die Wirkstärke des konsumierten Produkts. Angesichts der steigenden Opioidverschreibungen in der Schweiz und der sich in Amerika aus ähnlichen Trends heraus entwickelten Opioidepidemie gilt es um jeden Preis, mit genügenden Behandlungsangeboten, eine ähnliche Krise mit tödlichen Überdosierungen zu vermeiden.

Forderung einer nicht stigmatisierenden Sprachwahl

Zudem fordern die oben genannten Organisationen eine Anpassung in der Terminologie der BetmSV im Sinne einer möglichst entstigmatisierenden Sprachwahl. Dazu gehört beispielsweise die Anwendung einer «Person-First-Sprachregelung» (Personen in Behandlung statt Patient:innen, Personen mit Opioidahängigkeit statt Opioidabhängige) und der Verzicht auf den Begriff «Substitutionstherapie». Die detaillierten Änderungsvorschläge sind der verlinkten Stellungnahme zu entnehmen.

Weitere Informationen

Medienmitteilung als pdf

Stellungnahme des Fachverbands Sucht

 

Medienkontakt

Dr. med. Thilo Beck, Co-Chefarzt Psychiatrie, Arud Zentrum für Suchtmedizin, 058 360 50 00