Für eine ausreichende und nachhaltige Finanzierung der Suchthilfe und -prävention

29.01.2024 / Jährlich werden 3,5 Milliarden Franken an Sondersteuern auf psychoaktive, potenziell abhängigkeitserzeugende Substanzen und Produkte erhoben. Weniger als 30 Millionen Franken (0,8%) werden davon derzeit den Kantonen für die Bekämpfung der Ursachen und Auswirkungen von Suchtkrankheiten zugewiesen. Dieser Anteil reicht eindeutig nicht aus, um ein Phänomen zu bekämpfen, dessen soziale Kosten sich auf schätzungsweise 7,9 bis 11,5 Milliarden Franken belaufen. Aufgrund dieser Feststellung, die durch eine aktuelle Studie des Groupement Romand d'Études des Addictions (GREA) untermauert wird, fordert die Föderation der Sucht-Fachleute die Politik auf, sich dringend mit dieser Frage zu befassen.

Der GREA hat im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit eine Studie erstellt, die eine gründliche Bestandsaufnahme der Finanzierung der Suchthilfe in der Schweiz vornimmt. Die Studie enthält eine Darstellung der wichtigsten Finanzierungsmechanismen und eine Synthese von aktuellen Problemen und möglichen Lösungen – sowohl aus der Perspektive der Fachliteratur als auch von im Rahmen des Projekts befragten Expert:innen und Fachpersonen.

Aus der Studie geht hervor, dass das KVG die durch die Suchtproblematik verursachten Kosten nur zu einem sehr geringen Teil deckt. Hilfsangebote werden zum grossen Teil von den Kantonen, sowie von den Gemeinden, getragen. Mit der Entwicklung und Vermarktung neuer, potenziell suchterzeugender digitaler Produkte und Dienstleistungen (insbesondere mit der Entwicklung der Aufmerksamkeitsökonomie) wird die Diskrepanz zwischen dem Ausmass der Problemlast und den zu ihrer Bekämpfung bereitstehenden Mitteln tendenziell immer grösser werden. Eine weitere aktuelle Studie unterstreicht, dass es manifeste Finanzierungslücken im gesamten Spektrum der Suchthilfe und -prävention gibt. Die Kantone werden darin aufgefordert, zusammen mit allen weiteren Kostenträgerinnen inklusive des Bundes nachhaltige Finanzierungsstrukturen zu schaffen (vgl. Stremlow, J.; Eder, M., Knecht, D., Wyss, S. (2023). Grundlagen der (inter-)kantonalen Steuerung der Suchthilfe. Schlussbericht. Hochschule Luzern – Soziale Arbeit, Luzern).

Die GREA-Studie weist auch auf die zahlreichen Inkohärenzen der Besteuerungen hin:

  1. Nicht jedes psychoaktive Produkt wird gleichbehandelt: Tabak, Spirituosen, Bier und Glücksspiele unterliegen einer besonderen Besteuerung, Wein oder Mikrotransaktionen im Rahmen von Videospielen nicht.
  2. Unter den psychoaktiven Produkten, die einer Sonderbesteuerung unterliegen, scheint die Bestimmung der Steuerlast zufällig zu sein: Sie basiert weder auf der Gefährlichkeit der Produkte noch auf den von ihnen verursachten Kosten für die Gesellschaft.
  3. Die Umverteilung der Erträge aus diesen Steuern entspricht nicht dem Grundsatz der fiskalischen Äquivalenz: Weniger als ein Viertel der Einnahmen (20,1%) wird an die Kantone weitergeleitet, obwohl diese die grosse Mehrheit der durch die psychoaktiven Produkte verursachten Kosten (z.B. Behandlungen, Hilfsangebote) tragen.
  4. Aus der Sonderbesteuerung z.B. von Bier und Casinospielen fliesst kein Franken in die Suchthilfe und -prävention.
  5. Die Verteilung der Steuererträge erfolgt nicht nach einer Ausgleichslogik, die jedoch die eigentliche Grundlage einer Sonderbesteuerung bilden sollte: Nur 1,3% der Erträge aus der Sonderbesteuerung werden in einer Logik der öffentlichen Gesundheit für die Suchthilfe und -prävention verwendet.

In der Praxis stellen die Sucht-Fachleute eine zunehmende Komplexität der Fälle von Personen mit einer Abhängigkeit fest, u.a. da sich die Lebenssituationen dieser Menschen verschlechtert hat und viele Betroffene auch an psychiatrischen Erkrankungen leiden. Die Föderation der Sucht-Fachleute fordert die politischen Entscheidungsträger:innen auf, dringend für eine ausreichende und nachhaltige Finanzierung von Suchthilfeangeboten zu sorgen: eine notwendige Investition, um neuen Krisen vorzubeugen und aktuelle Probleme, z. B. im Zusammenhang mit erhöhtem Kokain-Konsum (v.a. Crack und Freebase), zu lösen.

Kontakt:

  • Deutsch: Stefanie Knocks, Generalsekretärin Fachverband Sucht, 076 459 20 65
  • Französisch: Camille Robert, co-secrétaire générale GREA, 078 891 39 41
  • Italienisch: Marcello Cartolano, Presidente di Ticino Addiction, 091 973 30 30

Weitere Informationen: