Digitale psychoaktive Produkte

Die digitalen Welten sind ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft und faszinieren Erwachsene und Jugendliche gleichermassen. Doch die verschiedenen digitalen Produkte wie z.B. Games, Trading-Apps, Online-Pornografie, Kaufplattformen oder Social Media wirken psychoaktiv. Der Fachverband Sucht setzt sich für eine angemessene Regulierung solcher digitaler psychoaktiver Produkte ein.

Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele

Bereits seit 2019 arbeitete der Bundesrat an einem neuen Gesetz, um Videospiele und deren Inhalte erstmalig zu regulieren. Der Bundesrat verabschiedete am 11. September 2020 die Botschaft und den Entwurf für ein neues Gesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospielen. Er wollte mit dem neuen Gesetz Minderjährige vor Medieninhalten sowohl in Film als auch Videospielen schützen, die «ihre körperliche, geistige, psychische, sittliche oder soziale Entwicklung gefährden können». Der Fachverband Sucht nahm an der Vernehmlassung teil und unterstützte dieses Anliegen grundsätzlich. Er plädierte jedoch dafür, auf Gesetzesstufe zu definieren, was für Jugendliche ungeeignete Inhalte sind. Neben Gewalt- oder Sexdarstellungen sollten Videospiele und deren Zusatzfunktionen (wie z.B. Mikrotransaktionen) auch gemäss ihren suchtfördernden Faktoren eingestuft werden.

Diese Forderungen wurden im Entwurf des Bundesrats nicht aufgenommen, was der Fachverband Sucht sehr bedauert. Laut Bundesrat ist die Forschungslage zu den suchtfördernden Faktoren noch zu schwach, um Videospiele nach ihrem Suchtpotenzial klassifizieren zu können. Jedoch identifizierte eine bereits 2017 veröffentlichte Expertise im Auftrag des Arbeitsstabs der Drogenbeauftragten der Deutschen Bundesregierung suchtfördernde Faktoren von Computer- und Internetspielen.

Im Juni 2021 wurde die Vorlage des neuen Bundesgesetzes im Nationalrat debattiert. Der Fachverband Sucht unterstützte die Mehrheitsanträge der vorberatenden Kommission (WBK-NR), welche einige wichtige Elemente (wie etwa Mikrotransaktionen und die Medienkompetenzförderung) in den Gesetzesentwurf aufnahm. Der Nationalrat nahm diese Änderungen erfreulicherweise an, danach ging die Debatte im Ständerat weiter. Dieser strich beide äusserst relevanten Elemente – sowohl die Regulierung der Mikrotransaktionen als auch der Passus zur Prävention und Medienkompetenzförderung – wieder aus dem Gesetzesentwurf. Aus unserer Sicht wären diese Bestimmungen unabdingbar gewesen, um den Jugendschutz in diesem Bereich nachhaltig zu verbessern. In den Beratungen während der Differenzbereinigung zwischen den Räten fanden diese Bestimmungen jedoch keine Mehrheiten. Ein Kompromiss wurde einzig bei der wichtigen Förderung der Medienkompetenz gefunden.

Eine grosse Koalition an Fachorganisationen hatte sich in diesem Gesetzgebungsprozess gemeinsam für einen wirksamen Jugendschutz in den Bereichen Filme und Videospiele eingesetzt:
Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (SAJV), der Fachverband Sucht, Groupement Romand d’Etudes des Addictions (GREA), Pro Juventute, Kinderschutz Schweiz, Fédération Romande des Consommateurs (FRC), die Stiftung für Konsumentenschutz und das Blaue Kreuz Schweiz (siehe Medienmitteilung vom 30.9.2022).

Nach der Annahme des Gesetzes im Jahr 2022 wurde mit Spannung die entsprechende Verordnung erwartet.  Der Fachverband Sucht hat gemeinsam mit seinem welschen Partnerverband Groupement Romand d'Études des Addictions (GREA) eine Stellungnahme zur Verordnung über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele (JSFVV) verfasst. Der Verordnungsentwurf folgt einer unseres Erachtens eher schwachen Gesetzgebung. Denn die Mikrotransaktionen sind weder Bestandteil des Gesetzes noch der Verordnung. Dies, obwohl die Zusammenhänge zwischen Mikrotransaktionen, Jugend, Geldspiel und Sucht hinlänglich bekannt sind. Für uns ist es weiterhin unerlässlich, für Mikrotransaktionen in Videospielen gesetzliche Leitplanken zu setzen, denn bestimmte Formen von Mikrotransaktionen, wie z. B. Lootboxen, funktionieren wie Geldspiele und normalisieren diese für Kinder und Jugendliche.

Gemeinsame Stellungnahme des Fachverband Sucht und GREA zur Verordnung zum Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele

Link zum Geschäft des Bundesrates (Curia Vista)

Bericht über die Vernehmlassungsergebnisse des Bundesgesetzes

Botschaft zum Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele

Gesetzesentwurf

Medienmitteilung zur Vernehmlassung vom 22. Mai 2019

Vernehmlassungsantwort Fachverband Sucht zum Jugendschutz in Film und Videospielen

Begleitbrief zur Vernehmlassungsantwort des Fachverbands Sucht

Expertise «Suchtfördernde Faktoren von Computer- und Internetspielen» 2017

Vermischung Gaming und Gambling

In den letzten Jahren konnte eine immer stärkere Wechselwirkung zwischen dem Bereich Videospiele und dem Bereich Geldspiel beobachtet werden. Sowohl die «Gamification des Gamblings», also Inhalte und Aussehen von Geldspielen (etwa Slotmachines) die sich Videospielen angleichen, als auch die «Gamblification des Gamings» beschäftigen den Fachverband Sucht und seine Mitglieder. Unter der «Gamblification des Gamings» wird insbesondere die Einführung von Elementen in Videospielen, die nicht auf den Fähigkeiten der Spieler:in, sondern auf dem Zufall (z.B. Lootboxen oder Free Money Gambling) oder Geld (bei «Pay-to-Win» verschafft der Kauf virtueller Güter einen Vorteil gegenüber anderen Spielern) basieren verstanden. Im weiteren Sinne bezieht sich dieser Begriff auf den grossen Wandel, der sich derzeit in der Welt der Videospiele vollzieht, die sich durch die Umsetzung aggressiver Monetarisierungsstrategien dem Geldspiel annähert.

Eine weitere bekannte Form der Vermischung der beiden Bereiche ist das «Skin Gambling», bei welchem in einem Game erspielte oder gekaufte Skins (virtuelle Objekte kosmetischer Natur) auf Drittanbieterwebseiten als Casinoeinsatz genutzt werden können.

Aktuell werden Geldspielelemente in Videospielen in der Schweiz nicht reguliert, sofern sie nicht unter das Geldspielgesetz fallen.

Zum Dossier Geldspielpolitik