Tabakpolitik
Jede Stunde stirbt in der Schweiz eine Person an den Folgen des Tabakkonsums. Aus diesem Grund müssen Tabak- und tabakähnliche Produkte strenger geregelt werden als andere legale Konsumgüter. Die Tabakpolitik bestimmt die Rahmenbedingungen der herkömmlichen Tabakprodukte wie Zigaretten, Zigarren, Schnupftabak, Snus und «Heat not Burn»-Geräten (HNB) und der Tabakersatzprodukte, wie zum Beispiel E-Zigaretten. Der Fachverband Sucht setzt sich für eine strenge Regulierung von Tabak- und Tabakersatzprodukten ein. Die Regulierung muss das schadensmindernde Potenzial von E-Zigaretten berücksichtigen.
Regulierungsbedarf im Bereich der Tabak und Tabakersatzprodukte
Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern zeichnet sich die Schweiz durch eine sehr schwache Tabakregulierung aus. Die Schweiz ist neben Monaco und Andorra das einzige Land Europas, das die Tabakkonvention der Weltgesundheitskonferenz (WHO) nicht ratifiziert hat. Der Anteil von Raucher:innen beträgt seit einem Jahrzehnt unverändert 27 Prozent. Der Tabakkonsum bleibt die häufigste vermeidbare Todesursache in der Schweiz.
Der Konsum von Tabak wird in der Schweiz durch verschiedene Gesetze reguliert: Seit 2010 darf der Bund Massnahmen zum Schutz vor dem Passivrauchen auf Basis eines Gesetzes ergreifen. Das Tabaksteuergesetz regelt die Besteuerung von Tabakprodukten. Mit dem neuen Tabakproduktegesetz (TabPG), das 2021 vom Parlament verabschiedet wurde, soll der Mensch vor den schädlichen Auswirkungen von Tabakprodukten und elektronischen Zigaretten geschützt werden. Das Parlament hat 2016 den ersten Entwurf für ein neues TabPG zurückgewiesen. 2018 hat der Bundesrat eine zweite, stark abgeschwächte, Botschaft für ein Tabakproduktegesetz mit den folgenden Änderungsvorschlägen vorgestellt:
- Ein nationales Verbot des Verkaufs von Tabakprodukten und elektronischen Zigaretten an Minderjährige – die meisten Kantone kennen heute bereits ein Mindestalter von 16 oder 18 Jahren. Ausserdem soll eine rechtliche Grundlage für Testkäufe geschaffen werden und speziell an Minderjährige gerichtete Werbung soll verboten werden.
- Tabakprodukte und deren Alternativen werden neu in unterschiedliche Produktekategorien eingeteilt. Gesundheitsschädliche Produkte, wie zum Beispiel Zigaretten oder «Heat not Burn»-Geräte, werden etwas strenger geregelt als die weniger gefährlichen E-Zigaretten (mit oder ohne Nikotin).
- Es werden keine neuen Einschränkungen im Bereich Werbung, Verkaufsförderung und Sponsoring eingeführt. Dies bedeutet, dass die Rekrutierung neuer Generationen von Raucherinnen und Rauchern, zum Beispiel mit dem Verkauf von Zigaretten durch Hostessen in Bars oder mittels Werbung an Festivals, weiterhin erlaubt sein sollen. Die Kantone dürfen jedoch strengere Regeln einführen. In vielen Kantonen gelten bereits heute Einschränkungen für Plakatwerbung, Kinowerbung oder Sponsoring von Anlässen.
Das neue TabPG und die Verordnung über Tabakprodukte und elektronische Zigaretten (TabPV) treten voraussichtlich im Sommer 2024 in Kraft. Dem Fachverband Sucht geht das TabPG viel zu wenig weit. Zusammen mit seinen Partnern fordert er vom Parlament insbesondere eine deutlich strengere Regulierung der Werbe- und Sponsoringbestimmungen. So muss die von Volk und Ständen deutlich angenommene Volksinitiative «Kinder ohne Tabak» (vgl. laufende Teilrevision des TabPG) griffig umgesetzt werden. Dabei muss es den Kantonen weiterhin möglich sein, strengere Regeln einzuführen.
Stand tabakpolitischer Geschäfte
Nach grossen Differenzen zwischen den Räten wurde das TabPG im Oktober 2021 vom Parlament verabschiedet. Die Räte einigten sich auf ein Tabak-Werbeverbot für Internetseiten und Presseerzeugnisse, die spezifisch für Minderjährige bestimmt sind. In allen anderen Presserzeugnissen und Online-Formaten soll weiterhin – kaum eingeschränkt und in Richtung Kinder und Jugendliche – geworben werden dürfen. Das neue TabPG und die Verordnung über Tabakprodukte und elektronische Zigaretten (TabPV) treten voraussichtlich im Sommer 2024 in Kraft.
Ein wirksamer Jugendschutz auf Grundlage des TabPG ist stark erschwert. Dies soll sich nun mit der Annahme der Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» vom 13. Februar 2022 ändern. Das deutliche Ja zur Initiative soll es ermöglichen, Tabakwerbung dort zu verbieten, wo sie Kinder und Jugendliche auch tatsächlich erreicht: in den sozialen Medien, an den Festivals, Kiosken und in allen gedruckten und Online-Medien. Für die Umsetzung der Initiative wird das Tabakproduktegesetz aktuell teilrevidiert. Der bundesrätliche Entwurf ist aktuell in parlamentarischer Beratung (Stand März 2024).
Weiterführende Informationen zum Tabakproduktegesetz
- Stellungnahme FS zum Entwurf der Verordnung über Tabakprodukte und elektronische Zigaretten(TabPV)
- Stellungnahme FS zur Teilrevision des TabPG/Umsetzung Volksinitiative «Kinder ohne Tabak», 3. November 2022
- News-Beitrag des Fachverbands Sucht zur Annahme der Volksinitiative «Kinder ohne Tabak»
- Medienmitteilung des Fachverbands Sucht zur Publikation des Tabakproduktegesetzes, 30. November 2018
- Vernehmlassung der Föderation der Suchtfachleute zum TabPG, 7. März 2018
Verdampfen statt verbrennen
Beim Verbrennen von Tabak entstehen krebserregende Stoffe. Bei alternativen Formen des Nikotinkonsums – zum Beispiel E-Zigaretten – findet kein Verbrennungsprozess statt. Entsprechend ist der Konsum dieser Produkte erheblich weniger gesundheitsschädigend als der Konsum von Tabakzigaretten. Wenn es gelingt, dass Konsumierende vom Tabakrauchen auf das Verdampfen umsteigen, können die tabakbedingten negativen gesundheitlichen und volkswirtschaftlichen Auswirkungen stark reduziert werden.
Am 24. April 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht (BVG) entschieden, dass in der Schweiz ab sofort auch nikotinhaltige Liquids für E-Zigaretten verkauft werden dürfen. Bis zum Entscheid des BVG war dies in der Schweiz verboten. Auch die Marke Juul konnte somit ihr Produkt im Dezember 2018 in der Schweiz lancieren. Juul-Zigaretten werden im Unterschied zu anderen E-Zigaretten mit Nikotinsalzen und nicht mit Liquids gefüllt. Dadurch kratzen die Dämpfe deutlich weniger, was Juul für junge Raucherinnen und Raucher attraktiver macht als die herkömmlichen E-Zigaretten. Es gibt keine nikotinfreie Version von Juul.
Der Fachverband Sucht bewertet den Entscheid des BVG als positiv. Er erleichtert nikotinabhängigen Menschen den Zugang zu einem Produkt, das weniger schädlich ist als die Tabakzigaretten. Der Fachverband Sucht erwartet einen positiven Effekt auf die Gesundheit der Rauchenden und auch der Konsumierenden von E-Zigaretten. Das TabPG hat nun die Aufgabe, den Verkauf von Tabak- und tabakähnlichen Produkten zu regulieren und dabei dem Jugendschutz gebührend Rechnung zu tragen.
Zudem wurde der Bundesrat mit der Motion 19.3958 «Besteuerung von elektronischen Zigaretten» damit beauftragt, eine gesetzliche Grundlage für die Besteuerung von E-Zigaretten zu erarbeiten. In diesem Zusammenhang lief bis Ende März 2022 die Vernehmlassung zur Teilrevision des Tabaksteuergesetzes (TstG). Der Fachverband Sucht begrüsst in seiner Stellungnahme grundsätzlich die Besteuerung aller tabak- und niktotinhaltigen Produkte. Er bedauert aber gleichzeitig, dass die Vorlage gesondert auf E-Zigaretten foukussiert und sich nicht an der Idee einer umfassenden Besteuerung aller tabak- und nikotinhaltigen Produkte orientiert.
Weiterführende Informationen zu Verdampfen statt verbrennen
- Teilrevision TStG - Stellungnahme FS.pdf
- «Verdampfen statt verbrennen» - Positionspapier Föderation der Suchtfachleute
- Factsheet und Auswahl von Quellen zum Verdampfen und zu den E-Zigaretten
- Positionspapier der Deutschen Suchtgesellschaft «Suchtmedizinische und gesundheitspolitische Chancen und Risiken durch den Gebrauch von E-Zigaretten»
- Webseite des Bundesamts für Gesundheit
Antwort auf die Vernehmlassung zur Verordnung über den Tabakpräventionsfonds (TPFV)
Im Herbst 2019 fand die Vernehmlassung zur Totalrevision der Verordnung über den TPF statt. Der Fachverband Sucht nahm an der Vernehmlassung teil und bekräftigte die Forderung zur Integration des Verdampfens als Konsumform in die Schweizer Suchtpolitik.
Dieser Ansatz wird von der Nationalen Strategie Sucht und der Strategie zur Prävention nichtübertragbarer Krankheiten (NCD) 2017-2024 gestützt. Die beiden Strategien bilden das strategische Fundament des TPF. Verdampfen ist eine erfolgsversprechende Art, langjährige Raucherinnen und Raucher beim Rauchstopp zu unterstützen. Verschiedene Institutionen der Suchthilfe führen bereits heute schadensmindernde Projekte mit E-Zigaretten durch. Solche Projekte sollten auch vom Tabakpräventionsfonds unterstützt werden können.