Problematische Internetnutzung
Die problematische Nutzung des Internets – oft auch Onlinesucht genannt – bezeichnet verschiedene Nutzungsformen des Internets, die zu einer Abhängigkeit führen können. In der Schweiz sind laut der Schweizerischen Gesundheitsbefragung (2017) 3,8 Prozent der Bevölkerung ab 15 Jahren, umgerechnet rund 270'000 Personen, von einer problematischen Internetnutzung betroffen. Der Fachverband Sucht erarbeitet gemeinsam mit seinen Partnern fachliche Hilfestellungen und Übersichtspublikationen rund um Onlinesucht in der Schweiz.
Problematische Internetnutzung: Was ist damit gemeint?
Die problematische Internetnutzung ist eine Form der Verhaltenssucht (stoffungebundene oder substanzunabhängige Sucht). Bisher gibt es keine allgemein anerkannte Terminologie, Definition und Diagnose. Neben dem Begriff «problematische Internetnutzung» werden Ausdrücke wie «internetbezogene Störungen (IBS)» «exzessive, pathologische oder symptomatische Nutzung», «Onlinesucht», oder auch «Internetabhängigkeit» verwendet.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verabschiedete im Mai 2019 den neuen Katalog der Krankheiten (ICD-11), der (Online-)Spielsucht («gaming disorder») als eigenständige Krankheit anerkennt. Somit wird exzessives (Online-)Spielen in Zukunft mit anderen Suchtkrankheiten wie Geldspielsucht gleichgesetzt. Der Entscheid der WHO ist nicht unumstritten. Verschiedene Fachleute warnen vor einer Pathologisierung des Gamens, welches Teil der modernen (Jugend-)Kultur ist.
Der Fachverband Sucht und der Groupement romand d’études des addictions (GREA) koordinieren im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit (BAG) die Expert:innengruppe «Onlinesucht in der Schweiz». Diese Gruppe hat am 30. November 2020 eine aktualisierte Version ihres Syntheseberichts veröffentlicht, der einen Überblick über den Stand zum Thema Onlinesucht in der Schweiz gibt: Wie gross ist die Problemlast, wer sind die Betroffenen, welche Entwicklungen sind zentral? Der Bericht stützt sich auf die Einschätzungen der Expert:innen, auf die aktuelle Fachliteratur und auf neu für die Schweiz erschienene epidemiologische Daten.
Auf Initiative der Mitglieder des Fachverbands Sucht trifft sich die Fachgruppe Onlinesucht vier Mal pro Jahr zu einem fachlichen Austausch. Dazu gehören z.B. gemeinsame Fallbesprechungen oder die Vorstellung neuer Studienergebnisse. Voraussetzung für eine Teilnahme ist eine Mitgliedschaft im Fachverband Sucht.
Alterslimiten bei Videospielen
Der Bundesrat verabschiedete am 11. September 2020 die Botschaft und den Entwurf für ein neues Gesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospielen. Er möchte mit dem neuen Gesetz Minderjährige vor Medieninhalten schützen, die «ihre körperliche, geistige, psychische, sittliche oder soziale Entwicklung gefährden können». Der Fachverband Sucht nahm im Mai 2019 an der Vernehmlassung teil und unterstützte dieses Anliegen grundsätzlich. Er plädierte jedoch dafür, auf Gesetzesstufe zu definieren, was für Jugendliche ungeeignete Inhalte sind. Neben Gewalt- oder Sexdarstellungen sollten Videospiele und deren Zusatzfunktionen (wie z.B. Lootboxen) auch gemäss ihren suchtfördernden Faktoren eingestuft werden.
Diese Forderungen wurden im Entwurf des Bundesrats nicht aufgenommen, was der Fachverband Sucht sehr bedauert. Laut Bundesrat ist die Forschungslage zu den suchtfördernden Faktoren noch zu schwach, um Videospiele nach ihrem Suchtpotenzial klassifizieren zu können. Eine 2017 veröffentlichte Expertise im Auftrag des Arbeitsstabs der Drogenbeauftragten der Deutschen Bundesregierung identifiziert jedoch suchtfördernde Faktoren von Computer- und Internetspielen.
Im Juni 2021 wurde die Gesetzesvorlage im Nationalrat debattiert. Der Fachverband Sucht unterstützte die Mehrheitsanträge der vorberatenden Kommission (WBK-NR), welche einige wichtige Elemente (wie etwa Mikrotransaktionen und die Medienkompetenzförderung) in den Gesetzesentwurf aufnahm. Der Nationalrat nahm diese Änderungen erfreulicherweise an, danach ging die Debatte im Ständerat weiter. Dieser strich beide äusserst relevanten Elemente – sowohl die Regulierung der Mikrotransaktionen als auch der Passus zur Prävention und Medienkompetenzförderung – wieder aus dem Gesetzesentwurf. Nun geht das Geschäft zur Differenzbereinigung zurück in den Erstrat der sich im Herbst 2022 wieder damit befasst.
Link zum Geschäft des Bundesrates (Curia Vista)
Bericht über die Vernehmlassungsergebnisse
Botschaft zum Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele
Medienmitteilung zur Vernehmlassung vom 22. Mai 2019
Vernehmlassungsantwort Fachverband Sucht zum Jugendschutz in Film und Videospielen
Begleitbrief zur Vernehmlassungsantwort des Fachverbands Sucht
Expertise «Suchtfördernde Faktoren von Computer- und Internetspielen» 2017
Arbeitsergebnisse des Fachverbands Sucht
Synthesebericht «Problematische Internetnutzung in der Schweiz»
Mediennutzung: Modell zur Zusammenarbeit mit Eltern
Der Groupement Romand d’Etudes des Addictions (GREA) erarbeitete im Rahmen des Projekts «Problematische Internetnutzung in der Schweiz» im Jahr 2020 in Zusammenarbeit mit dem Fachverband Sucht, unterstützt durch das Bundesamt für Gesundheit, ein Modell zur Zusammenarbeit mit Eltern und Angehörigen in der Thematik Mediennutzung. Das Modell unterstützt Fachpersonen der Prävention und Beratung im Umgang mit Anfragen zur Mediennutzung.
Modell zur Zusammenarbeit mit Eltern
Literaturliste zur problematischen Internetnutzung und zur Onlinesucht
Der Fachverband Sucht und der Groupement Romand d'Etudes des Addictions stellen seit 2015 eine Liste mit Schweizer und internationaler Literatur zu den Themen Onlinesucht, problematische Internetnutzung, Internetbezogene Störungen und gaming disorder zusammen. Die Bibliographie beinhaltet Studien (in deutscher, französischer, englischer und italienischer Sprache) sowie Untersuchungen, Berichte und Bücher. Die Liste wird periodisch aktualisiert.
Literaturliste (Stand 25.11.2020)
Fortbildungen
Der Fachverband Sucht führt regelmässig Fortbildungen zu Verhaltenssüchten im Allgemeinen oder der Onlinesucht im Speziellen durch. Werfen Sie einen Blick auf unser Fortbildungsangebot:
Factsheets
Die nachfolgenden Factsheets wurden im Rahmen der Studie «Jeux d’argent sur internet en Suisse» von GREA / Sucht Schweiz auf Französisch verfasst. Sie wurden vom Fachverband Sucht auf Deutsch übersetzt.
Factsheet Verwendung von Big Data
Factsheet Free money gambling Social Casino Games
Factsheet Gamblification von Videospielen
Factsheet Gamification des Geldspiel
Weiterführende Informationen
Memorandum Internetabhängigkeit der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung
Die Fachgruppe Onlinesucht des Fachverbands Sucht setzt sich intensiv mit dem Thema auseinander.